Interview mit Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft GmbH

 

Lieber Herr Rühl, was ist und macht die von Ihnen gegründete Hamburg Kreativ Gesellschaft?

 

Die Hamburg Kreativ Gesellschaft ist eine städtische Wirtschaftsförderung, die die Förderung der elf Teilmärkte der Kreativwirtschaft – Architektur, Werbung, Presse, Rundfunk, Design, Musik, Literatur, Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Software/Games, Film – zur Aufgabe hat. Sie wurde 2010 als 100%ige Tochtergesellschaft der Freien und Hansestadt Hamburg gegründet. Als Wirtschaftsförderung mit dem Fokus auf alle kreativen Teilmärkte arbeiten wir mit einem passgenauen und ausdifferenzierten Angebot sehr operativ und adressieren dabei alle beruflichen Level innerhalb der Branche – von Studierenden, Gründer*innen und Unternehmer*innen, Start-ups sowie größeren Unternehmen und ihren Angestellten. Unter anderem schaffen wir an vielen Orten in der Stadt Räume für Kreative. Vom kleinen Atelier bis zum großen Kaufhaus oder der Entwicklung ganzer Quartiere – wir sind Expert*innen darin, die spezifischen räumlichen Anforderungen unserer Zielgruppe in konkrete Raumangebote zu übersetzen – und dabei ganz nebenbei auch Antworten auf wichtige gesellschaftliche Themen wie etwa Innenstadtsterben, Revitalisierung urbaner Produktion oder kreativer Quartiers- und Stadtentwicklung zu beantworten.

Darüber hinaus bieten wir ein umfassendes Angebot von der Gründungsberatung bis zu Start-up-Inkubatoren. In vielen Vernetzungsveranstaltungen bringen wir zudem die Akteure zu den wichtigen Trendthemen der Branche zusammen, wie etwa digitale Transformation, Fachkräftegewinnung oder zu den Chancen und Herausforderungen Künstlicher Intelligenz. Innovationen mit und in der Kreativwirtschaft sind ein weiterer Schwerpunkt unserer Aktivitäten.

 

Was ist das Ziel des German Creative Economy Summit, den Sie ins Leben gerufen haben?

 

Mit dem German Creative Economy Summit bringen wir Entscheider*innen aller elf Teilmärkte Deutschlands zusammen. Obwohl es bereits viele Fachveranstaltungen gibt, fehlte bislang eine Plattform, die die gesamte Kreativwirtschaft sichtbar macht und den branchenübergreifenden Austausch fördert.

Die Kreativwirtschaft ist ein zentraler Motor für Innovation und wirtschaftliches Wachstum. Sie schafft neue Geschäftsmodelle, Technologien und Arbeitsweisen, die weit über die eigenen Teilmärkte hinauswirken. Unser Ziel ist es, dieses Bewusstsein nicht nur innerhalb der Branche, sondern auch in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken. Gleichzeitig greifen wir Themen auf, die alle Teilmärkte gleichermaßen bewegen – darunter Künstliche Intelligenz, Urheberrechte, Fachkräftemangel, soziale Absicherung, Nachhaltigkeit und politische Rahmenbedingungen.

Was hat sich nach dem ersten German Creative Economy Summit in 2024 zum Positiven verändert?

 

Wir haben außerordentlich positives Feedback zur Premiere 2024 erhalten, was uns darin bestärkt hat, dass es einen klaren Bedarf für dieses Format gibt. Besonders erfreulich ist die Beteiligung der Verbände der einzelnen Teilmärkte, gebündelt im Spitzenverband k3d, die den Wunsch nach einer gemeinsamen Agenda unterstreicht.

Zudem konnten wir die Aufmerksamkeit für die Themen der Kreativwirtschaft deutlich steigern und haben eine verstärkte Wahrnehmung unserer Arbeit festgestellt. Daran wollen wir in diesem Jahr anknüpfen und die Veranstaltung weiter etablieren.

Warum liegt Ihnen die Kultur- und Kreativbranche in Deutschland und insbesondere in Hamburg so sehr am Herzen?

 

Ich bin in meinem gesamten Berufsleben in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Für mich ist diese Branche das Herzstück einer dynamischen und zukunftsorientierten Gesellschaft – und genau das treibt mich seit Jahrzehnten an. Hamburg bietet als Stadt mit großer kreativer Vielfalt, innovativen Köpfen und einem starken Netzwerk ideale Bedingungen, um diese Branche zu fördern und weiterzuentwickeln. Seit 2010 arbeiten mein Team und ich daran, Kreative in Hamburg zu unterstützen Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Förderung, sondern auch um Räume für Ideen, Netzwerke und Plattformen wie den German Creative Economy Summit. Hamburg hat das Potenzial, eine führende Rolle in der Kreativwirtschaft einzunehmen – und ich freue mich, mit meiner Arbeit dazu beizutragen.

 

Warum wird Ihrer Meinung nach die Wirtschaftskraft der Kreativwirtschaft in Deutschland noch unterschätzt, die Zahlen sprechen ja für sich?

 

Der Begriff Kreativwirtschaft wurde in Deutschland erst Ende der 1990er Jahre eingeführt. Mit Richard Floridas Buch "The Rise of the Creative Class" (2002) gewann das Konzept weiter an Bedeutung. Dennoch wird die Wirtschaftskraft dieser Branche oft unterschätzt, da die Teilmärkte sehr heterogen sind – sie reichen von der freien Bildenden Kunst bis zur kommerziell orientierten Werbebranche, von der Musik bis zu den Games.

Viele Akteur*innen konzentrieren sich primär auf die Schärfung des eigenen Profils und verkennen dabei das Potenzial einer gemeinsamen Agenda. Wir arbeiten kontinuierlich daran, diese Silo-Denke zu überwinden und eine einheitliche wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Wahrnehmung der Kreativwirtschaft zu etablieren. Auch in der Branche sind Bewegungen erkennbar, die zu einem Spitzenverband führen könnten. Und den braucht es, damit in Deutschland Wirtschaft nicht weiterhin synonym für Automobilwirtschaft steht.

 

Welche Rolle spielt Kreativität für eine erfolgreiche deutsche Wirtschaft?

 

Eine bedeutende Rolle. Kreativität ist kein „Nice-to-have“, sondern ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Die Kreativwirtschaft ist ein echter Innovationsmotor. Die Fähigkeiten von Kreativschaffenden, täglich Dinge neu zu schaffen  – sie entwickelt neue Ideen, probiert aus, denkt quer und geht oft Wege, die später von anderen Branchen übernommen werden. Gerade beim Thema New Work war sie schon immer Vorreiter: Flexibles Arbeiten, agile Teams und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind hier längst Standard.

Auch die digitale Ökonomie wäre ohne die Kreativbranche kaum denkbar – schließlich liefert sie die Inhalte, die täglich auf Plattformen wie YouTube, Instagram oder Streaming-Diensten zu finden sind. Aber ihre Rolle geht weit über Unterhaltung hinaus: Kreative Lösungen treiben Transformation in der Wirtschaft und Gesellschaft voran. Ob nachhaltiges Design, neue Formen des Storytellings oder innovative Technologien – ohne Kreativität gäbe es keine echte Weiterentwicklung. Kurz gesagt: Kreativität ist notwendig, um Deutschland wirtschaftlich erfolgreich und zukunftsfähig zu machen.

 

Was brauchen Unternehmen, um kreativ zu arbeiten und kreativ zu bleiben?

 

Was wir in den letzten Jahren gelernt haben: Kreative sind Expert*innen darin, ständig Neues zu schaffen. Sie haben Arbeitsweisen und Methoden entwickelt, die für Innovationsprozesse prädestiniert sind. Mit dem Cross Innovation Hub, den wir 2016 mit EU-Mitteln ins Leben gerufen haben, bringen wir Kreativschaffende mit Unternehmen anderer Branchen zusammen, um in Frühphasen von Innovationsprozessen an Lösungen zu arbeiten.

Dieser Ansatz gewinnt zunehmend an Bedeutung, weil er eine ergänzende Alternative zu klassischen F&E-Prozessen bietet. Aber Kreative können nicht nur Unternehmen helfen: Ihre Kompetenzen sind auch in gesellschaftlichen Transformationsprozessen gefragt – etwa bei der Frage, wie wir unsere Innenstädte neu beleben.

 

Was tun Sie ganz persönlich, um Kreativität in den Alltag und das berufliche Leben einzuladen? 

 

Wenn die Frage meint, welche kreativen Inhalte mich anregen, dann ist die Antwort: alles, was möglichst weit neben dem Mainstream liegt plus Netflix. Wenn die Frage meint, wann ich gute Ideen habe, dann ist die Antwort, dass das glücklicherweise nicht von Äußerem abhängt.